STANDPUNKT: Die SPD war stets Verantwortungspartei

Veröffentlicht am 13.02.2018 in Bundespolitik

Nicht zum ersten Mal in ihrer stolzen Geschichte ringt die SPD vor einer Entscheidung intensiv, leidenschaftlich, zerrissen und öffentlich mit sich. Doch verglichen mit historischen Knotenpunkten wie der Bewilligung von Kriegskrediten vor dem Ersten Weltkrieg, dem Streit um die Wiederbewaffnung der noch jungen Bundesrepublik oder der heftigen gesellschaftlichen Auseinandersetzung um die Nato-Nachrüstung in der Endphase der Kanzlerschaft Helmut Schmidts hat das bevorstehende Mitgliedervotum über den Eintritt in eine große Koalition einer eher pragmatische und machtstrategische Dimension. 

Unter normalen Umständen würden nach dem langen Verhandlungsmarathon Parteibasis und Öffentlichkeit sachlich und bilanzierend prüfen, ob sich ausreichend sozialdemokratische Inhalte in dem ausgehandelten Koalitionsvertrag wiederfinden. Und da müsste jede faire und unvoreingenommene Beurteilung zu dem Schluss kommen, dass dieser Koalitionsvertrag einen sozialdemokratischen Geist atmet. In der Bildungspolitik, in der Sozialpolitik, bei der Rente, Arbeit und Pflege hat sich die SPD mit ihren Forderungen weitgehend durchgesetzt. In der Gesundheitspolitik wird es zwar nicht zur sofortigen Einführung einer Bürgerversicherung kommen, aber das bisherige duale System aus gesetzlicher Krankenversicherung und Privatversicherung mit seinen Privilegion und Ungerechtigkeiten wird auf Dauer keinen Bestand mehr haben.

Die SPD hätte also allen Grund zur Zufriedenheit, sollte man annehmen. Doch statt selbst- und sendungsbewusst die eigenen Erfolge herauszuarbeiten, vermittelt die Partei einmal mehr einen ganz anderen Eindruck. Sie ist mit sich selbst beschäftigt, leidet an sich und der Welt, taumelt ohne Kompass und Orientierung und reagiert entsetzt über die Volten und Wortbrüche des gescheiterten Vorsitzenden Martin Schulz und die personalpolitischen Kungeleien im kleinsten Kreis.

Sehr zur Freunde der politischen Gegner und eines zunehmend auf oberflächliche Reize reagierenden Sensationsjournalismus scheint in der SPD also das blanke Chaos zu herrschen. Als Betrachter könnte man in dieser Situation, je nachdem wie man es mit der SPD hält, Häme oder Mitleid empfinden. Weder das eine noch das andere ist angebracht. Denn trotz der Emotionalisierung und der Kampagne des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert gegen die "Groko" müssen die Parteimitglieder in wenigen Wochen darüber befinden, ob sich die SPD mit einem Nein zur Regierung in die politische Bedeutungslosigkeit katapultiert, ihr gesamtes Führungspersonal auf einen Schlag kollektiv desavouiert und auf längere Sicht den Status einer "Mittelpartei" mit 15 bis 18 Prozent fristen will - oder ob die SPD mit der Zustimmung zum Koalitionsvertrag ein relevanter gestandender Faktor in der deutschen und europäischen Politik bleiben will.

Ihrem Selbstverständnis nach ist die SPD eine pragmatische Reformpartei, die auf der Grundlage gemeinsamer Ideen und Werte die Verhältnisse in unserem Land gestalten und das Leben der Menschen besser machen will. Diesem Anspruch wird der ausgehandelte Koalitionsvertrag gerecht, viele Menschen würden in ihrem Alltag ganz konkret deutliche Verbesserungen ihrer Lebensverhältnisse erfahren. Diese Menschen hoffen auf die SPD und können mit parteitaktischen Spielchen herzlich wenig anfangen.

Die SPD war immer bereit, für unser Land Verantwortung zu übernehmen. Dadurch hat sie viel Gutes bewirkt. Der SPD ist das Regieren nie Selbstzweck gewesen, sondern das notwendige Mittel, um gesellschaftspolitische Ziele zu verwirklichen und die Demokratie zu verteidigen. Selbstsucht war zu keiner Zeit die Sache der SPD. Sollten die Parteimitglieder allerdings dem Koalitionsvertrag die Zustimmung verweigern, dann würde sich die SPD einreihen in die Phalanx fundamentalistischer Verweigerungsparteien wie AfD, FDP und LInke. Eine schreckliche Vorstellung. Auf der Seite von Demokratieverächtern, Systemgegnern, Opportunisten und Egozentrikern sollte nicht der Platz der SPD sein.

Detlef Prinz ist Verleger und Mitglied der SPD

 

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