Rede zum Haushaltsentwurf und zum HH-Sicherungskonzept

Es gilt das gesprochene Wort.
Herr Stadtverordnetenvorsteher, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Hinter uns liegt ein politisches Jahr, das in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem von Skandalen geprägt wurde. Die Aufklärung der Dienstwagenaffäre war auch für mich als Vorsitzenden der SPD Fraktion mit erheblicher Mehrarbeit und mit persönlichen Anfeindungen verbunden. Hier im Parlament wurden wir als Opposition – und nicht etwa der wahrhaft Schuldige – der Lüge bezichtigt, Hass wurde uns vorgeworfen, wir hätten uns das alles nur ausgedacht. Meine Familie und ich haben Drohbriefe und Drohanrufe erhalten. Am Ende musste die Justiz Recht sprechen, sie hat den Fall mittlerweile per Strafbefehl abgeschlossen.

Doch in der politischen Arbeit leiden wir noch immer am Misstrauen, das hier entstand. Wundert sich da wirklich jemand drüber, dass ein solcher, in Homberg nie da gewesener Amtsmissbrauch Spuren in der politischen Zusammenarbeit hinterlässt? Haben sie schon vergessen, dass die Homberger Grünen ihre demokratischen Teilhaberechte erst vor Gericht einklagen mussten, die sie ihnen als Regierungsparteien verweigert haben? Und dann zu allem Überfluss noch der schmähliche Auftritt des Stadtverordnetenvorstehers beim Neujahrsempfang: Kein Wort des Bedauerns, keine Silbe über die Verantwortung des Parlaments als Aufsichtsorgan, nicht eine Bemerkung über die Schuld des Bürgermeisters. Im Gegenteil: Das Parlament – also wir alle - wären nicht fähig oder willens, zum Wohle Hombergs zu arbeiten!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich arbeite seit 16 Jahren ehrenamtlich als Stadtverordneter und investiere viel Zeit, Kraft und Mühe, weil ich das Beste für Homberg erreichen will! Dass sich ein Parlamentschef in der Öffentlichkeit dazu hinreißen lässt, das Parlament, also uns alle – und damit auch sich selbst – an den Pranger zu stellen, wahrscheinlich um von der Verurteilung des Bürgermeisters abzulenken und um sich von denjenigen beklatschen zu lassen, die ohnehin nicht an den Sitzungen teilnehmen und gar nicht wissen können oder wollen, wie wir hier arbeiten, das ist tatsächlich ein Skandal!
Anstatt bei einem solchen Empfang die Chance zu nutzen, Werbung für Homberg als Lebens- und Wirtschaftsstandort zu machen, haben Sie unsere Arbeit schlecht geredet, haben das ohnehin schlechte Homberger Image zusätzlich beschädigt. Herr Stadtverordnetenvorsteher, das war für uns politisch und menschlich zutiefst enttäuschend.
Meine Damen und Herren, ich habe das hier zum Abschluss des Akteneinsichtsausschusses zur Dienstwagenaffäre schon einmal gesagt: Ein klares Schuldeingeständnis des Bürgermeisters zu Beginn, und dies alles wäre uns erspart geblieben: Der monatelange Streit, das Strafverfahren, die Lügen und falschen Unterstellungen und letztlich der Imageschaden für unsere Stadt.
Das Gleiche gilt im Übrigen für den Verlust der Alten- und Krankenpflegestation und aktuell für die Ermittlungen in der Fördergeldaffäre: Wir als Parlament haben einen Anspruch auf rechtzeitige, wahrheitsgemäße Aufklärung – noch bevor die große Strafkammer in Kassel ein Urteil fällt. Mehr noch: Wir alle – nicht nur die Opposition - haben die Pflicht, als Kontrollorgan zu agieren und bei Verstößen einzuschreiten. Ich weise darauf hin, dass ich mich als Fraktionssprecher zu dieser Angelegenheit bislang sehr zurückhaltend geäußert habe. Denn auch für Bürgermeister Wagner gilt, dass er so lange unschuldig ist, bis jemand das Gegenteil bewiesen hat.
Für Martin Wagner und seine Familie tut es mir sehr leid, dass diese neuerlichen Vorwürfe ausgerechnet in der Weihnachtszeit in die Presse gerieten. Als Bürgermeister an der Spitze unserer Stadt aber muss er sich seiner besonderen Verantwortung bewusst sein und sich dieser stellen. Ich rate allen Beteiligten dazu, anders als in der Dienstwagenaffäre, eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe zu unterstützen anstatt zu schweigen, zu vertuschen oder zu manipulieren. Mit einem Zitat Berthold Brechts möchte ich mit diesen Vorbemerkungen schließen:
„Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“
Nun komme ich zu den Einschätzungen zum vorliegenden Haushaltsplan und HaSiKon.
Auch im Jahr 2011 bewegen wir uns auf einer kritischen Finanzbasis (noch immer fehlen Schlussrechnung Hessentag und die in Aussicht stehenden 1,5 Mio€ aus dem Landesausgleichsstock) Doch noch bedenklicher ist: Erneut wird ein gigantisch hoher Kassenkredit von 8 Mio€ beantragt, obwohl davon im Jahr 2010 nur etwa 3 Mio€ tatsächlich benötigt wurden. Abgesehen von den enormen Zinsen, die hier anfallen würden, zeigt das vor allem eins: Die Einnahmen- und Ausgabenpolitik kommt mit einem hohen Planungsrisiko daher. Fachleute warnen deshalb vor hohen Kassenkrediten, da diese dem Spiel des Marktes ausgeliefert sind und enorm hohe Zinsrisiken beinhalten. Unsere Forderung lautet daher: Reduktion des Kassenkredits auf 3 Mio€.
Vor 8 Jahren lag der Kassenkredit noch bei 500T€. Dieser dramatische Anstieg ist für uns ein Zeichen der massiven Abhängigkeiten unserer Finanzplanung, von denen wir wesentliche Faktoren – beispielsweise den Zinsverlauf – nicht beeinflussen können. Ein deutlicher Zinsanstieg wäre für uns nicht mehr zu verkraften, wir wären das, was man im richtigen Leben insolvent nennt. Zudem setzen sich die negativen Trends der vergangenen Jahre fort:

1.Rekordschulden (53,5 Mio€ inkl. der anteiligen Zweckverbandschulden in
Höhe von ca. 6,5 Mio€) mit entsprechender Zinsbelastung für uns und für die
Folgegenerationen! Der Haushalt ist deshalb zutiefst unsozial, weil er unsere Kinder und Enkel vor unlösbare Finanzprobleme stellt.

Wir zahlen nächstes Jahr allein im Schuldendienst knapp 3 Mio€, davon nur eine knappe Million als Abtrag, der Rest geht für Zinsen drauf!

2.Bevölkerungsschwund (von ca. 100 Bürgern) hat trotz der Aussage des Bürgermeisters beim Neujahrsempfang, wir hätten 100 Neubürger, wieder zugenommen. Damit einher gehen Steuer- und Kaufkraftverluste – die pro Kopf Verschuldung liegt inzwischen bei 3740€!

3.Konzeptionslosigkeit. Haushaltsplan und Haushaltssicherungskonzept
weisen erneut keine tragbaren Ansätze zur Haushaltskonsolidierung auf. Dies wurde übrigens im HaSiKon 2010 bereits zugegeben. Zitat: …mit dem HaSiKon 2010 ist das Ziel eines Haushaltsausgleichs …völlig aus den Augen verloren.“ Und das HaSiKon 2011 bestätigt diese Entwicklung: Der Fehlbedarf in 2011 liegt bei 2’8 Mio€! Offen bleibt dabei erneut, wie die Kommunalaufsicht hier reagieren wird. Im Übrigen wirft das HaSiKon viele richtige Fragen auf und zeigt mögliche Sparpotenziale. Doch diese haben schnell ihre Grenzen erreicht: Selbst wenn man alle Kindergärten, Sportstätten, Schwimmbäder und DGH’s schließen würde, könnte nicht so viel eingespart werden, um den Haushalt auszugleichen. Dies wurde ja mit dem Haushaltsplan 2009 für das Jahr 2012 in Aussicht gestellt. Ich habe damals gesagt, dass diese Prognose allen verfügbaren Konjunkturdaten widerspreche und dass Sie sich an dieser Aussage messen lassen müssen. Wie unglaubwürdig dieses Versprechen war, sehen wir spätestens heute. Wir sehen auch, dass leeren Versprechungen und Lippenbekenntnisse nicht weit tragen. Die Zukunft sieht düster aus, denn auch für die nächsten Jahre sind Defizite von jährlich jeweils 2 – 3 Mio€ geplant.

4.Anhaltende Vertrauenskrise – ich meine, hierauf bin ich in meinen Vorbemerkungen deutlich genug eingegangen
Wenn wir uns den Haushaltsplan nun genauer anschauen, sehen wir sehr schnell, dass wir kaum noch Handlungsspielraum haben. Die freiwilligen Leistungen und Investitionen sind auf ein Mindestmaß gestutzt, Geld ist nur noch für das Notwendigste da – eigentlich auch dafür nicht. Insofern gibt es an den Teilhaushalten wenig auszusetzen, der Haushaltsplan ist starr den knappen Kassen geschuldet. Trotzdem bleibt unsere Forderung: Das städtische Personal ist leistungsgerecht und nach Tarif zu bezahlen, zu fördern und zu befördern. Denn – und das hat die Affäre um die Alten- und Krankenpflegestation gezeigt: Gutes Personal ist immer schwerer zu bekommen und „Leistung muss sich lohnen!“ Zudem müssen wir Werte erhalten, wie z.B. die Freizeitanlagen in den Efzewiesen. Doch halten wir die geplanten 10.000€ für eine Videoüberwachung für eine Fehlinvestition. Mit diesem Geld sollten wir uns besser an dem Objektschutzprojekt des Kreises beteiligen, das funktionierte in den letzten Jahren sehr gut und schafft zudem Arbeitsplätze. Zudem regen wir an, im Projekt „soziale Stadt“ z.B. unter Leitung des Quartiermeisters oder des Stadtjugendpflegers Maßnahmen zu erarbeiten, die den Schutz der Anlagen gemeinsam mit den Jugendlichen ermöglichen.
Positiv lässt sich feststellen, dass wir einen Aufwärtstrend bei den Gewerbesteuereinnahmen erleben. Hier machen sich die strukturpolitischen Entscheidungen bezahlt, die Homberg noch unter einer rot-grünen Parlamentsmehrheit zum Logistikstandort umgestaltet haben. Diese damals ansässig gewordenen Großunternehmen konnten weiter wachsen und sind heute die wichtigsten Steuerzahler unserer Stadt! Und: hier hat Homberg Potenziale, im Stadtgebiet und im gemeinsamen Gewerbegebiet an der Autobahn.
Lassen sie mich an dieser Stelle klar sagen, dass die Verantwortung für die verfehlte Finanzpolitik nicht allein in Homberg zu suchen ist. Sicher, sie kennen unseren Standpunkt: Fehlplanungen im Mühlhäuser Feld, in der Holzhäuser Straße, beim geplanten Abriss der Bingelbrücke und bei dem Versuch, einen Steinbruch in Dickershausen zu betreiben, haben vieles zur derzeitigen Krise beigetragen. Doch in ganz Hessen sind Städte und Gemeinden von der kommunalfeindlichen Politik der schwarz-gelben Landesregierung betroffen. Allein in diesem Jahr werden uns 344 Mio€ fehlen, die das Land zu unseren Lasten einsparen will. Als verschuldete Stadt werden wir hierdurch massiv benachteiligt, hiergegen müssen wir uns zur Wehr setzen! Im Schwalm-Eder-Kreis beispielsweise werden Arbeits- und Ausbildungsförderungsmaßnahmen um 2,5 Mio€ gekürzt. Viel Geld, was uns im Bildungs- und Sozialbereich schmerzlich fehlen wird.
So sind Haushaltsplan und HaSiKon 2011 Armutszeugnisse im mehrfachen Wortsinn.
Zum ersten, weil sie Zeugnis ablegen über die leeren Stadtkassen und über eine Schuldenspirale, aus der es kein Entrinnen zu geben scheint.
Zum zweiten, weil sie keinerlei Perspektiven aufzeigen, die uns strukturpolitisch voranbringen könnten.
Zum dritten, weil sie Zeugnis geben von einer verfehlten Landespolitik, die gerade den armen Städten und Gemeinden in unserem Land die nötigste Hilfe versagt!
Zu dem aufgezeigten finanziellen Dilemma und zur anhaltenden Vertrauenskrise gesellt sich also das Ausbleiben landesväterlicher Hilfe hinzu. Homberg scheint keine Lobby mehr zu haben. Bund und Land lassen die Kommunen im Stich.
Trotzdem und gerade deshalb müssen wir gemeinsam nach Wegen aus dieser Krise suchen. Seitens der SPD Fraktion haben wir zahlreiche Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung gemacht, die leider bislang nicht – oder zum großen Teil noch nicht umgesetzt wurden. Und, meine sehr geehrte Damen und Herren, wir Parlamentarier müssen zusammenhalten – so schwer es manchmal auch fällt, um das Beste für unsere Heimatstadt zu erreichen.
Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass das geht. Allein seitens der SPD wurden im letzten Jahr 17 Anträge gestellt, von denen viele die Unterstützung aller Fraktionen gefunden haben. Ich erinnere sie an die erfolgreichen Arbeiten am Schloßbergrestaurant, zu den gemeinsamen Themen „Stadt Cassel“, Burgberggemeinde und Friedhofsgestaltung, an die Zusammenarbeit in der AG Haushaltskonsolidierung und im Stadtmarketingverein, an die Beschlussfassungen zu den geplanten Solarparks, den Arbeiten am Haus Wittich, unseren zahlreichen Baumaßnahmen, der Dorferneuerung und im Hochwasserschutz.
Ist das die Bilanz einer Opposition, die ihre Arbeit nicht erledigt? Ganz bestimmt nicht – im Gegenteil: Trotz widriger Bedingungen haben wir gemeinsam als Homberger Parlament viel erreicht!

Ich fasse zusammen:Die schlechte finanzielle Bilanz der letzten Jahre wird unter dem Einfluss der Vertrauens- und Wirtschaftskrise durch die Mittelkürzungen des Landes in dramatischer Art und Weise fortgeführt:
- Erhöhung der Gesamtverschuldung und der Zinsausgaben
- Erhöhung der pro Kopf Verschuldung
- knapp. 54 Mio€ Gesamtschulden, ein voraussichtlicher Fehlbetrag in 2011 von
fast 3 Mio €
Mögliche Wege und Lösungsansätze, um aus der Finanzmisere Schritt für Schritt herauszukommen sind nicht erkennbar – im Gegenteil: Homberg schrumpft weiter und verliert Jahr um Jahr an Einwohnern, neue Unternehmensansiedlungen sind nicht in Sicht. Die Konversion der Kasernen lässt weiter auf sich warten, während in unserer Stadt und in den Ortsteilen zahlreiche Gebäude verfallen.
Trotz der katastrophalen Finanzlage bewerten wir diesen Haushalt und auch das HaSiKon formal als deutlich verbessert und hoffen, dass die nächsten Pläne weiter an Logik und Transparenz gewinnen. Wir danken daher an dieser Stelle Herrn Debus und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich für die geleistete Arbeit.
Meine Damen und Herren,
die Lage ist nach unserer Einschätzung schlimmer als je zuvor, die Weichen für Hombergs Zukunft führen weiter in die falsche Richtung. Die SPD Fraktion lehnt daher die hier vorgelegte Haushaltssatzung sowie das Haushaltssicherungskonzept 2011 ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Stefan Gerlach
Vorsitzender SPD Fraktion Homberg (Efze), 3.2.2011
Infos unter: www.spd-homberg-efze.de

Aktuelle-Artikel